Freitag, 15. Juni 2012

So stolz!

Was hat mein Mutterherz gebibbert, gefiebert, gehofft und geweint. Jedes mal wenn Große Tochter völlig erschöpft, mit dicken dunklen Ringen unter ihren jungen Augen, sich in den letzten zwei Jahren, am Abend völlig erschöpft in unser Haus schleppte, flehte ich mein Universum an, sie möge ihre Ausbildung durch halten und nicht in letzter Sekunde alles hinwerfen.

Als Große Tochter noch Kleine Tochter war und ihr junges Leben gerade mal 6 Monate alt, sind der Schottengatte und ich samt Kind und Viechzeug aus dem Süden von Paris in der Nähe von Fontainebleau, in die 300km entfernte Normandie gezogen.
Die Normandie ist nicht nur bekannt für gute Butter, fröhliche Kühe und Calvados, sondern auch für Traber Gestüte. Nicht wenige der richtig erfolgreichen Trabrennpferde dieser Welt kommen aus unserer Gegend.
Nicht genug, dass mein sowieso für alles Verrückte zu begeisternder Göttergatte, ohne mein Wissen, unser neues Haus in der Normandie kaufte, während ich mit unserer Tochter noch in der Geburtsklinik lag, zu allem Überfluss ersteigerte er als erste normannische Amtshandlung, nur wenige Wochen nach unserem Umzug, ein Pferd.
Ich dachte zuerst an einen schlechten Scherz, als er nach einem seiner wochen-endlichen Ausflügen mit einem Pferdeanhänger und einem "Doppelten Pony" (double poney - so nennt man hier große Ponys) vor der Haustür unserer Chaumière stand.
"Leben mit mir wird nie langweilig" hatte er mir deutsch radebrechend versprochen als ich ihn vor so vielen Jahren kennen lernte und mich Hals über Kopf in den "verrückten Schotten" verliebte.
Dieses Versprechen hat er bis heute gehalten.
Nun hatte ich also nicht nur zwei Hunde, eine Katze, ein Baby und ein Reet-Dach gedecktes Fachwerkhaus mit Garten mitten in der hintersten Normandie, sondern auch noch ein Pferd. Das letztere wäre übrigens ohne das Eingreifen des ShoGas, so versicherte er mir immer wieder sehr glaubwürdig, in der Wurstfabrik gelandet. Wie hätte ich ihm da böse sein können.
Logisch, dass wir uns bei den Renovierungsarbeiten dementsprechend erst einmal auf den Stall konzentrierten. Man kann so ein Pferd schließlich schlecht im Regen stehen lassen.
Und während der SchoGa und ich am Stall werkelten, blieb dem gerade zu Laufen anfangenden Baby nichts anderes übrig, als sich mit ihren tierischen Freunden zu beschäftigen.
Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen:

Ich war gerade dabei einen Nagel in eine lose gewordene Außenholzplanke am Stall fest zu hämmern und konzentrierte mich extremst darauf den Nagel und nicht meinen armen, schon geschundenen Daumen zu treffen, als mich die innere Stimme, mit der jede junge Mutter gesegnet zu sein scheint, zum Umdrehen zwang.
Und das sah ich, wie meine Tochter, eben noch hinter mir, meine Konzentration auf den verflixten Nagel ausnutzend, inzwischen auf flinken Händchen und Beinchen auf der nahen Weide beim Pferd angelangt, sich zwischen dessen Hinterbeinen, fröhlich vor sich hin brabbelnd, aufrecht hangelte, und dabei den Schweif zur Hilfestellung benutzte.
Jede Mutter wird nachvollziehen können, dass ich fast einen Herzstillstand erlitt.
Meine gerade 18 Monate alte Tochter stand zwischen den Hinterflanken, fast völlig verdeckt vom langen schwarzen Schweif, beide dicke Babyärmchen jeweils rechts und links fest die stämmigen Kniegelenke eben jenes Ponys umklammernd, welches ich gerade dabei war kennen zu lernen und von dem ich keine Ahnung hatte, wie es reagieren würde.
Tief durch atmend, den SchoGa rufend und mit einem Herz, dass ich bis in beide Ohren schlagen hörte, ging ich langsam auf die beiden zu. Prinzess' schaute mich ganz ruhig mit ihren großen braunen Pferdeaugen an und stand still wie eine Statue.  
Viele Jahre später würden wir diesen Moment als Liebe auf den ersten Blick zwischen Prinzess' und Großer Tochter nennen. Eine Liebe die mehr als zwanzig Jahre lang halten sollte.
Dieser Moment, als ich meine Tochter zwischen den Beinen "ihres" Ponys heraus lockte und sie statt dessen auf den Rücken setzte, stellte Weichen im Leben meiner Tochter, von denen ich damals noch nichts ahnte.


Vor zwei Jahren, nach einigen von mir zwar wohl gemeinten aber völlig irr geleiteten vorgegebenen Richtungen - "Kind du spricht drei Sprachen, mach was daraus!Geh auf die Uni! - brach Große Tochter das Studium ab und beschloss, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, nichts ahnend wie unglaublich hart die Ausbildung zur staatlich anerkannten Reitlehrerin ist.
Kälte, Regen, eisiger Wind sind neben der körperlichen Totalverausgabung - bis zu sechs Pferde am Tag reiten - und den unerbittlichen, hartgesottenen Ausbildern, die die Bedeutung des Wortes "Lob" aus ihrem Wortschatz verbannt haben, das kleinste Übel.



Gestern hat sie ihre letzte Prüfung mit Bravour bestanden und hat ihr Diplom in der Tasche.
Ab heute darf sie sich "Staatlich geprüfte und diplomierte Reitlehrerin" nennen.
Prinzess'  - Gott hab sie selig auf den unendlichen Weiden im Pferdehimmel - wäre so stolz auf sie.

5 Kommentare:

Christine hat gesagt…

Mir ist jetzt beim Lesen schon kurz das Herz stehen geblieben, vor allem bei der Stelle mit der großen Tochter zwischen den Pferdehufen. Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Herzlichen Glückwunsch an Deine Tochter, dass sie die Ausbildung geschafft hat, ich wünsch ihr viel Spaß in ihrem Beruf.

Bille hat gesagt…

Ich bin echt wirklich und wahrhaftig schwer gerührt! Herzlichen Glückwunsch an deine Tochter!!! Ich hoffe, damit kann man auch gut Geld verdienen.

N. hat gesagt…

Wunderbar erzählt! Gratulation an deine Tochter :-)

SallyB. hat gesagt…

so ist das manchmal, eine schöne Geschichte und alles Gute für die Tochter

Anke hat gesagt…

Ich mag deine Art zu scrappen und ich bin fasziniert von der Art, wie du schreibst.
Danke, dass du mich teilnehmen lässt.
Ich bin ein absoluter Fan von dir :)

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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