Samstag, 22. Januar 2011

Welten die aufeinander treffen

Gestern Morgen rief schluchzend Kleine Tochter aus dem Krankenhaus an:
"Mammi, kannst du mir ein Einzelzimmer bezahlen?
Meine neue Zimmergenossin ist un...er...träglich!!!"
Mein bis zu diesem Moment normal schlagendes Menschen-Herz verwandelte sich schlagartig in das brüllende einer Mutter-Löwin. Völlig gleichgültig, dass mein Kind nun selbst ein Kind hat und somit definitiv in die Riege der Erwachsene gehört: geht es einem meiner Kinder schlecht, werde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit es ihm wieder gut geht.
Noch bevor überhaupt das Warum und Wieso geklärt wurde und ich irgendwie den leisen Verdacht hegte, es könnte sich hier vielleicht um ein postnatale Stimmungsschwankung handeln, stimmte ich zu.
Privatversicherungen sind auch in Frankreich recht teuer und die jungen Eltern sind noch dabei ihre Füße zu finden. Klar, dass wir als Groß - Eltern hier und da finanziell unter die Arme greifen.
Als Große Tochter und ich, Kleine Tochter und Enkelkind am darauf folgenden Nachmittag im Krankenhaus besuchten, war sie gerade in ein Einzelzimmer umgezogen.
"Ok Süsse! Dann erzähl mal! Was war los?" forderte ich sie auf.
"Ach Mammi" brach es aus ihr heraus und dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen:
"So etwas habe ich noch nicht erlebt und möchte es auch nie wieder erleben müssen!"
Am Abend zuvor hatte die neue Zimmergenossin, im gleichen Alter wie Kleine Tochter, einen Sohn zur Welt gebracht. Kaum im Zimmer angekommen, überfiel sie Kleine Tochter völlig ungefragt mit ihrer Lebensgeschichte: die Geburt ihres Kindes hätte sie nur einem fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch zu verdanken, der Vater hätte kein Interesse am Kind, die Großmutter sei krebskrank und würde voraussichtlich noch dieses Jahr sterben und das erste was sie, die Zimmergenossin, machen würde, wenn sie aus dem Krankenhaus käme und im Mutter-Kind-Heim untergebracht sei, wäre, sich endlich wieder anständig die Kante zu geben. Unterbrochen wurde sie in ihrer Tirade nur, wenn sich ihr kleiner Sohn bemerkbar machte. Doch anstatt inne zuhalten und sich um ihr Kind zu kümmern, griff sie nach dem Klingelknopf und wies die herbeigeeilte Krankenschwester unbeherrscht an, sie solle sich gefälligst um den schreienden Balg kümmern. Dem nicht genug, schien sie es auch völlig normal zu halten, bis nachts um drei Fernsehen zu schauen, um sich dann nach einer, dann doch etwas ungehaltenen Aufforderung von Kleiner Tochter doch ein bisschen Rücksicht zu nehmen, beleidigt zum Schlafen zu legen. Und dann schlief sie so fest, dass sie nicht einmal mehr mitbekam wie ihr kleiner Sohn vor sich hin wimmerte und Kleine Tochter sich gezwungen sah, wieder die Krankenschwester zu rufen.
Große Tochter und ich lauschten den Erzählungen entsetzt und ich kann nur erahnen wie schockiert Kleine Tochter, die überglücklich ist, ein gesundes Baby zu haben, auf ihre Mitbewohnerin reagierte und wie traumatisch die schlaflose Nacht gewesen sein muss.
"Dieses Kind" so schlussfolgerte Kleine Tochter mit noch immer bebender Stimme, "hat doch überhaupt keine Chance im Leben! Das wird so ein typischer randalierender Jugendlicher, wie die aus den Vorstädten von Paris. Was wird aus so einem Kind, wenn es schon in der ersten Sekunde seines Lebens nicht einen Funken von Liebe bekommt?"
Auf dem Nach-hause-weg sprachen Große Tochter und ich noch lange über diese junge Frau und der vermeintlichen Zukunft ihres Neugeborenen.
Und bei allen "Katastrophen und Nöten", die wir als Familie in den letzten Jahren so durchlebt haben, kamen wir beide zu dem Schluss, das wir etwas haben, das es mit allem Geld dieser Welt nicht zu kaufen gibt und ganz offensichtlich immer mehr zu einer Rarität wird:
eine intakte Familie, die zusammen durch dick und dünn geht!

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